Zeitungsbericht der AZ Medien AG vom 31.10.2017

Bed and Breakfast boomt- auch (fast) am Ende der Welt

Manuela Urech-Sala lockt Gäste aus der ganzen Welt in das 400-Seelen-Dorf.

In Mönthal ist es still. Sehr still. Vor allem jetzt im Herbst, wenn der Nebel über den Feldern liegt und die meisten Geräusche verschluckt. Manchen Leuten ist es im 400-Seelen-Dorf zu ruhig. Manuela Urech, die hier ein Bed and Breakfast, kurz BnB, führt, kann sich trotzdem nicht über einen Mangel an Gästen beklagen. Dennoch habe sie sich am Anfang gefragt, ob überhaupt jemand herkommen wolle, schildert sie. Schliesslich sagten die Leute immer: «Du wohnst am Ende der Welt.» Sie antworte jeweils: «Nicht ganz – aber von hier aus sieht man es.» Deswegen sei die Idee, ein BnB zu eröffnen nicht plötzlich da gewesen, sondern habe sich schleichend entwickelt.

Ein Telefonat nach China

Die Räume im Untergeschoss ihres Elternhauses dienten ursprünglich als Wohnung und später als Abstellkammer. Durch eine Freundin, die ein BnB in Ennetbaden betreibt, wurden Manuela Urech und ihr damaliger Partner Hanspeter Urech erstmals auf den Gedanken gebracht, selbst eines zu eröffnen. Als sie Verwandte von Leuten aus dem Dorf bei sich beherbergten, entschieden sie sich definitiv dazu und bauten 2014 um. Jetzt besteht das Untergeschoss aus einem in Türkis gehaltenen Doppelzimmer mit Kochnische und eigenem Bad sowie einer gemütlich eingerichteten Ferienwohnung, die für vier Personen Platz bietet.

Zu Beginn habe sie weiterhin im Verkauf gearbeitet, erzählt die fröhliche 50-Jährige. Seit Ende letztes Jahr setzt sie voll auf das BnB. Mit ihren beiden erwachsenen Kindern wohnt sie in der Dachwohnung. Ihre Eltern leben im Parterre und haben mit den Gästen schon so manche Überraschung erlebt. So staunten sie nicht schlecht, als eines Tages eine Französin im Pyjama in ihrem Wohnzimmer stand.

Urech fallen noch zahlreiche andere Anekdoten ein. Zum Beispiel die von einer übereifrigen Amerikanerin, welche dem Rebstock ungefragt mit der Gartenschere zu Leibe rückte. Oder als sie für einen Chinesen, der kein Englisch sprach, nach China telefonieren musste, damit dessen Bruder übersetzen konnte. «Manchmal muss man schon tolerant sein», räumt sie ein. Mittlerweile habe sie aber auch gelernt, deutlich zu sagen, was sie wolle und was nicht.

Erst Paris, dann Mönthal

Die Kundschaft setzt sich zu gleichen Teilen aus Touristen und Geschäftsleuten zusammen. Viele schätzen gerade die Abgeschiedenheit Mönthals. Wie der polnische Geschäftsmann, der zu Urech sagte: «Wissen Sie, ich bin oft in Städten unterwegs und starre von meinem Hotelzimmer aus gegen eine Häuserwand. Bei der schönen Landschaft hier und der Ruhe kann ich richtig runterfahren.» Und ein indisches Paar wählte für die Flitterwochen folgende Destinationen aus: Rom, Paris, Mönthal und Athen. Die eine Woche im BnB diente der Erholung von den Grossstädten.

Viele Touristen vertreiben sich hier die Zeit mit Spaziergängen oder sie unternehmen Ausflüge. Hin und wieder logieren auch ausländische Verwandte von Dorfbewohnern oder Patienten, die am Paul-Scherrer-Institut behandelt werden, und deren Angehörige bei Urech.

Bei der Werbung setzt sie vor allem auf Mund-zu-Mund-Propaganda und auf ihre Präsenz auf den Webseiten Bed and Breakfast Switzerland, Booking.com und Airbnb. Nicht betriebsblind zu werden, bezeichnet sie als die grösste Herausforderung und ist deswegen über jedes Feedback froh.

Sie schätzt den Kontakt mit den Gästen sehr und ist immer gespannt, wer als Nächstes anreist. Mit manchen Leuten entwickeln sich lose Freundschaften und einige kommen immer wieder.

Urech ist damit zufrieden, wie es läuft und hofft, dass es wie bis anhin weitergeht. Reich werde sie damit allerdings nicht, fügt sie an. Schliesslich muss sie putzen, waschen, die Buchhaltung führen, Statistiken und Buchungsanfragen bearbeiten und hat eine hohe Präsenzzeit. Daneben betreibt sie ein zweites BnB in Villigen und gibt Bauchtanzkurse an der Klubschule Migros.

Bei diesem vollen Programm ist sie froh, dass sie Unterstützung von ihrer Mutter erhält, die gelegentlich das Einchecken übernimmt. «Ich habe keine Ahnung, wie sie es macht. Sie spricht weder Englisch noch Französisch, aber irgendwie kriegt sie es immer hin», schmunzelt Urech. Dabei braucht es bei ihren Gästen gar nicht viele Worte, denn diese geniessen die Stille.


Text: Deborah Blauer für die Aargauer Zeitung